Heimat
Heimat – ein Wort mit so vielen Bedeutungen und doch nur schwer zu fassen. Ein Wort, das in den vergangenen Jahrzehnten an Stellenwert gewonnen hat. Die kitschige Anhaftung ist passé, Heimat liegt wieder im Trend. Als Gegenentwurf zu globalen Delokalisierungs- und Vernetzungstendenzen ist das Bedürfnis nach Heimat gewachsen. Doch was ist es, das Heimat ausmacht?
Das Bedürfnis nach Halt, Geborgenheit und Sicherheit wird in einer Zeit, in der alles im Wandel scheint, immer größer. Ursprünglich bezeichnete die Heimat lediglich Haus und Hof und somit den Grundbesitz eines Menschen, der klare Grenzen hatte. Doch diese Definition ist sicher längst überholt. Heute wird es für viele Menschen immer schwieriger, einen einzigen Ort als Heimat zu bezeichnen. Vor allem für Menschen, die in ihrem Leben eine längere Zeit an mehreren Orten oder in verschiedenen Ländern gelebt haben. So können auch Menschen mit einer Mehrfachzugehörigkeit die Frage nach ihrer Heimat nicht eindeutig beantworten. Ist Heimat überhaupt an einen Ort gebunden? Kann man sich nicht auch an mehreren Orten beheimatet fühlen? Und braucht der moderne Kosmopolit noch eine Heimat? Fest steht, Heimat ist sehr individuell.
Heimat wird nicht mehr nur örtlich betrachtet, sondern besitzt auch eine zeitliche und soziale Dimension. Die Menschen suchen Heimat genauso im Inneren, zum Beispiel im Zusammenleben mit anderen. Sie impliziert Zugehörigkeit und Identifikation, dort stimmen das Selbst und die Umgebung überein. So trägt auch die Heimat einen Teil zur Identität eines Menschen bei.
Gefühle spielen bei Heimat ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie ist dort, wo man sich wohl fühlt. Aus physiologischer Sicht entsteht das Gefühl von Heimat durch Engramme im Gehirn. Das sind Gedächtnisspuren, die durch positive Erlebnisse oder Reize entstanden sind. So kann zum Beispiel ein bestimmter Geruch die Synapsen aktivieren und ein Gefühl von Heimat hervorrufen.
Viele Menschen müssen ihre Heimat verlassen, sei es aus freien Stücken oder aus Not. Sie ziehen in die Fremde, in der Hoffnung auf eine neue Heimat, die immer wieder neu gefunden, aufgebaut und mitgestaltet werden kann. Dieser Prozess wird als Beheimatung beschrieben. So kann der Mensch auch an einem Ort, der zunächst fremd erscheint, neue Beziehungen aufbauen und sich neu verbunden fühlen. Wird die Heimat unfreiwillig verlassen, bleiben häufig die Sehnsucht und die Erinnerung. Dieses schmerzliche Gefühl und das Sehnen nach dem Vertrauten kennt fast jeder: Heimweh.
Heimat hat zahlreiche Facetten. Sie ist ein individuelles Konstrukt, das keine bestimmte Form oder Schranken besitzt. Heimat ist stets subjektiv und sehr persönlich, weshalb ein Mensch auch immer etwas über sich selbst Preis gibt, wenn er von seiner Heimat spricht.
Literatur:
- Beate Mitzscherlich: “Eine psychologische Perspektive auf die Möglichkeit von Beheimatung in einer globalisierten Welt.”
Zum Weiterlesen:
- Renate Zöller: “Was ist eigentlich Heimat? Annäherung an ein Gefühl.”
- Désirée Bender, Tina Hollstein, Lena Huber, Cornelia Schweppe: “Auf den Spuren transnationaler Lebenswelten. Ein wissenschaftliches Lesebuch. Erzählungen – Analysen – Dialoge.”