Zugehörigkeit und kulturelle Identität
Wir nehmen uns selbst als unabhängiges Individuum wahr und gehen davon aus, zu wissen, was uns zu dem macht, wer wir sind. Tatsächlich denken wir aber selten aktiv darüber nach, welche Eigenschaften oder Merkmale uns ausmachen. Ein wichtiger Bestandteil der Identität eines jeden Menschen ist die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen oder kulturellen Kollektiven. Sie spielt sogar eine zentrale Rolle bei der Bildung der eigenen Identität, die sich aus einem Zusammenspiel von Abgrenzung und Identifikation entwickelt. Dieser Prozess findet häufig ganz unbewusst statt, weshalb die Frage nach der eigenen Zugehörigkeit zunächst für viel Verwirrung sorgt.
Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigen sich intensiver mit der Frage nach ihrer Zugehörigkeit, denn Migration zwingt uns zur Selbstreflexion über unsere Herkunft, unsere Heimat und über uns selbst. Sie löst uns aus der Selbstverständlichkeit, die sonst ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität ist. Der Begriff des Migrationshintergrunds, bedeutet dabei nicht mehr als die vorangegangene transnationale Verlagerung des Wohnortes einer Familie oder einer Person. Viele Menschen fühlen sich daher nicht mehr nur einem, sondern zwei oder mehreren konträren Kulturkreisen mit unterschiedlichen Referenzsystemen zugehörig. In diesem Fall spricht man auch von einer Mehrfachzugehörigkeit. Die Zugehörigkeit eines Menschen wird aber nicht nur subjektiv bestimmt, sondern ist auch abhängig davon, ob eine Gruppe, Gesellschaft oder Ethnie eine Person als Mitglied erlaubt. Zugehörigkeit befindet sich in einem stetigen Wechsel und ist auch einer zeitlichen Begrenzung unterworfen.
Die Erfahrung der Differenz und die Zuschreibungen von außen, die auf eine andere „Herkunft“ anspielen, führen immer wieder zu einer erneuten Auseinandersetzung mit der Identität, Heimat und Zugehörigkeit. Dabei bestimmt und formt die Konfrontation mit andersartigen Deutungsmustern die Zugehörigkeitsempfindungen und kulturelle Identität eines Individuums. Eine eindeutige Zugehörigkeit können Menschen, die mit verschiedenen Kulturen aufgewachsen sind, aber nicht leisten und müssen das auch nicht. Es ist ohnehin fraglich, ob angesichts der globalen Vernetzung und komplexen Verflechtung unterschiedlicher Kulturen überhaupt noch eine eindeutige Zugehörigkeit zu einer Nation oder Kultur entwickelt werden kann, die frei von anderen kulturellen Einflüssen ist.