Raheem (25), Manchester | Pakistan
„Ich hatte Angst davor ich selbst zu sein.“
Ich fühle mich überall zuhause, auch wenn ich erst seit einer Stunde dort bin. Es gibt keinen bestimmten Ort, dem ich mich zugehörig fühle, denn ich mag die Vorstellung, dass überall meine Heimat ist.
Ich bin ¾ Pakistani und ¼ Engländer, ich bin in einer sehr konservativen Familie aufgewachsen. Deshalb hatte ich früher große Schwierigkeiten mit meinem Selbstbewusstsein. Mein Umfeld hat mir immer genau vorschrieben, wie ich sein sollte und wie nicht. Das hat mich eingeschränkt und ich konnte mich nicht so entfalten, wie ich wollte. Ich habe mich schon immer anders gefühlt, bin immer aus der Reihe getanzt. Aber ich konnte mich selbst nicht genau einordnen, ich wusste nicht, wo ich tatsächlich dazugehöre. Ich hatte Angst davor, ich selbst zu sein.
Bis heute bin ich weder ein typischer Pakistani, noch ein typischer Engländer. Ich liebe zwar pakistanisches Essen – ich liebe es wirklich – aber die pakistanische Mentalität meiner Familie ist etwas zu rückständig für mich. Ich trage zum Beispiel gerne lange und ausgefallene Ohrringe. Viele fragen mich dann: „Was machst du denn da, das sind doch Frauenohrringe!“ Ich sage ihnen dann immer: „Das ist doch nur ein Ohrring, warum stört dich das?“ Solche Kommentare verletzen mich und früher fiel es mir schwer, trotz der Kritik meiner Familie meinem Stil treu zu bleiben.
Als meine Schwester heiratete, hat sie mich sogar gebeten meinen langen Ohrring rauszunehmen, um unsere konservativen Verwandten nicht zu verärgern. Ich habe mich geweigert und gesagt: „Nein, ich möchte ich sein, ich möchte mich nicht länger für andere verstellen!“
Jetzt ist es leichter. Meine Familie akzeptiert mich, wie ich bin. Nur meine Mutter sagt manchmal, dass ihr mein Haarschnitt nicht gefällt, aber das ist okay, das kann ich verkraften.
Heute bestimmen sowohl die pakistanische als auch die englische Kultur meine Identität. Ich kenne beide Kulturen und sie geben mir verschiedene Blickwinkel auf mein Leben, lassen mich manche Dinge anders reflektieren. Durch das Aufwachsen in zwei Kulturen nehme ich nicht automatisch die vorgegebenen kulturellen Gewohnheiten an, sondern überlege erst einmal, ob diese Ansicht auch mit meiner Persönlichkeit übereinstimmt, und entscheide dann, ob ich sie annehme.
Es ist, als würde ich von außen auf eine Kultur blicken und frei entscheiden, was gut und was schlecht ist und was ich in meinen Alltag übernehmen möchte. Das gehört jetzt zu mir und meiner Persönlichkeit.